Schwer traumatisierte Frau sollte abgeschoben werden!
Fehlentscheidung des UBAS-Mitglieds Lammer.

Zainap A. aus Balkarien (einem kleinen Land in der Nähe von Tschetschenien) spricht fließend deutsch. Sie hat es in der Schule gelernt. Irgendwann einmal wollte sie mit ihren Kindern auf Urlaub fahren nach Wien. Davon hat sie geträumt. Es ist nichts geworden daraus

Jetzt ist sie als Asylwerberin hier, mit ihren Kindern und ihrer Schwester. Auf der Flucht vor einem Mafiaclan. Ihre Tochter Sonja ist entführt worden. Im Flüchtlingslager in Polen wurde sie von ihren Verfolgern entdeckt. Also ist die Familie nach Österreich weitergeflüchtet. Fast wären sie hier alle in der Schubhaft gelandet. Eine Fehlentscheidung des UBAS war daran schuld.

Das Bundesasylamt, Erstabschiebestelle Ost, wies die Asylanträge als unzulässig zurück. Ausweisung nach Polen! Eine Amtsärztin in Traiskirchen, Dr. H., hatte angeblich weder bei Zainap noch bei Sonja Anzeichen von Traumatisierung festgestellt.

Diese stets gleichartigen amtsärztlichen „Befunde“ der Erstabschiebestellen, besser gesagt, diese Zettel der Dr. H. (die keine Fachärztin für Psychiatrie ist, sondern lediglich ein „Psy-Drei“-Diplom besitzt) beruhen auf kurzen Befragungen und lassen – wie der UBAS selbst einmal festgestellt hat – alle Kennzeichen eines Sachverständigengutachtens vermissen.

Wir schickten Zainap zur Ordination AMBER, einer renommierten Einrichtung der Evangelischen Diakonie. Eine dort tätige Fachärztin, Frau Dr. I., stellte bei Zainap, ihrer Schwester und den Kindern schwere posttraumatische Belastungsstörungen fest. Über ein bestimmtes, besonders schwerwiegendes Ereignis dürfe sie mir aber nicht berichten, da Zainap sie in diesem Punkt nicht von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden habe.

Darauf stützte ich meine Berufung. Traumatisierte Flüchtlinge dürfen nicht ausgewiesen werden, sondern sind zum Verfahren zuzulassen. Jedenfalls noch bis Jahresende, bis das Prokopgesetz in Kraft tritt. Ich war optimistisch, denn einige Senatsmitglieder hatten erst vor kurzem, gestützt auf ähnliche ärztliche Befunde der Ordination AMBER, rechtswidrige EAST-Bescheide aufgehoben. Ich war daher überzeugt, der UBAS werde auch diesen Bescheid beheben.

Stattdessen erhielt ich einen unglaublichen Bescheid des Senatsmitglieds Lammer, von dem ich Besseres gewohnt war. Lammer schrieb allen Ernstes, das Schreiben der AMBER-Ärztin vermöge „den Anforderungen des im AVG vorgesehenen Sachverständigenbeweises (§ 52 AVG) keinesfalls Genüge zu tun“. Er könne „nicht ungeprüft“ als Beweis akzeptiert werden. Der Zettel der Amtsärztin hingegen offenbar schon!

Damit verkennt Lammer die Rechtslage: § 24 b Abs 1 AsylG verlangt nicht, dass die Traumatisierung durch einen Sachverständigenbeweis im Sinne des § 52 AVG bewiesen ist, Das Gesetz fordert lediglich „medizinisch belegbare Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber …. traumatisiert sein könnte“.

Dr. I. ist Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie. Sie hat als Fachärztin festgestellt, dass eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt. Ob ihr Schreiben den Anforderungen eines Sachverständigenbeweises nach dem AVG entspricht oder nicht, ist im Zusammenhang mit § 24 b AsylG völlig belanglos.

Allenfalls hätte die Behörde, wenn ihr die Qualität des Schreibens nicht gefiel, weitere Ermittlungen anzustellen gehabt. Er hätte zum Beispiel Frau Zainap ersuchen können, Frau Dr. I. von ihrer Schweigepflicht zu entbinden. „Nicht ungeprüft“, schreibt Lammer. Ja, wer hat ihn denn gehindert, zu „prüfen“, ob Frau Dr. I. oder die Amtsärztin Recht hat? Genau dafür ist der UBAS als oberste Berufungsbehörde im Asylverfahren doch da. Aber das wäre wohl zu mühsam gewesen, Herr Lammer – ist das so?

Dabei hatte Herr Lammer selbst in früheren Verfahren die ärztlichen Zettel der Amtsärztin Dr. H. für nicht ausreichend „als Sachverständigenbeweis“ erklärt. Aber jetzt?

Ohne irgendeine Überprüfung, ohne irgendein weiteres Ermittlungsverfahren hat Herr Lammer, gestützt einzig und allein auf den Zettel der Amtsärztin, den Befund der (als Fachärztin für Psychiatrie zweifellos höher qualifizierten) AMBER-Ärztin Dr. I. vom Tisch gewischt.

Durch den skandalösen Bescheid waren Zainap, ihr Kinder und ihre Schwester von sofortiger Schubhaft und Abschiebung bedroht. Herr Lammer persönlich hätte dafür die Verantwortung getragen.

Rechtsanwalt Dr. Herbert Pochieser hat aber auf unsere Bitte sofort Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben; das Höchstgericht hat bereits die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Wir werden weiter berichten.

Solche Schlampereien leistet sich der UBAS immer öfter in letzter Zeit. Unsere Leserinnen und Leser erinnern sich: ein anderes Senatsmitglied, Dr. Kuzminski, hat vor einigen Monaten die Berufung eines schwerst traumatisierten Tschetschenen, Ladi M., abgewiesen. Ich hatte ein Gutachten beantragt, der UBAS hat es abgelehnt. Ladi wurde abgeschoben.

Er kam illegal wieder, eine Fachärztin diagnostizierte ein schweres Trauma, mittlerweile erhielt er in einem neuen Verfahren von der Außenstelle Traiskirchen Asyl. Ist also noch einmal gut ausgegangen, trotz der Fehlentscheidung des UBAS. Aber wie soll das weitergehen?

Offenbar schlottern manchen Senatsmitgliedern die Knie, wenn sie an die künftige Umwandlung des UBAS in ein Asylgericht denken. Da würden vielleicht manche von ihnen nicht übernommen werden. Also versuchen sie, sich gut zu stellen mit der Regierung, nur nicht aufzumucken, keine unbequemen Bescheide mehr zu erlassen.

Auch von Herrn Lammer sind mittlerweile noch mehr derartige Bescheide aufgetaucht.

Das lässt nichts Gutes erwarten für das nächste Jahr. Wir werden die Tätigkeit des UBAS – genauso wie die der Asylämter – sehr genau beobachten. Das Unrecht hat stets Namen und Adresse. In diesem Fall: den Namen Lammer. Wir werden wachsam bleiben.

Michael Genner

Asyl in Not

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