Stellungnahme zum Entwurf des Innenministeriums
zur Änderung des Asylgesetzes, des Bundesbetreuungsgesetzes und des UBAS-Gesetzes

Asyl in Not

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Wien, im Mai 2003

Das Innenministerium hat, wie erwartet, einen Entwurf zur Änderung des Asylgesetzes, des Bundesbetreuungsgesetzes und des UBAS-Gesetzes vorgelegt, der nichts anderes darstellt als als einen dreisten Anschlag auf den Rechtsstaat. Der Zeitpunkt war gut gewählt: die Öffentlichkeit beschäftigt sich derzeit nur mit der Pensionsreform; im Innenministerium hofft man daher, den Antiasyl-Coup quasi unbemerkt über die Bühne zu bringen.

Das neue Gesetz bringt insgesamt weniger Rechte für die Flüchtlinge und mehr Befugnisse für die Polizei. Den “Erläuterungen” des Ministeriums zufolge werden nämlich “die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes mehr als bisher in das Asylverfahren eingebunden sein.” Dadurch wird “die tägliche Arbeit auf der Straße” im Umgang mit Asylwerbern “erheblich erleichtert”. Was das wohl heißen soll? Daß man sie erheblich leichter einsperren kann?

Genau so ist es gemeint. Es werden nämlich “Festnahmebestimmungen in das Asylgesetz aufgenommen”. Gemäß § 37 (6) sind dem Bundesasylamt “Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes beigegeben oder zugeteilt. Diese sind ermächtigt, die keinen Aufschub duldenden sicherheitsbehördlichen Maßnahmen zu setzen.”

Das heißt, daß Asylwerber wieder im Bundesasylamt verhaftet werden sollen, wie in der unseligen Löschnak-Matzka-Zeit.

Damals stand im Bundesasylamt Wien ein Gitterkäfig, euphemistisch “Handzelle” genannt; darin wurden Flüchtlinge eingesperrt vor ihrem Abtransport. Herr Strasser, wollen Sie das wieder so?

Der Großteil der Flüchtlinge soll schon an der Grenze zurückgewiesen werden. Ohne Rechtsschutz, ohne jegliches Verfahren Weil sie aus “sicheren Drittstaaten” kommen. Davon später mehr. Was aber wird aus denen, die es ins Innere unseres gastfreundlichen Landes schaffen und sich freiwillig, in der Hoffnung auf Schutz, bei einer Sicherheitsbehörde melden?

Sie werden gemäß § 18 von der Sicherheitsbehörde der Erstaufnahmestelle (in Traiskirchen oder einem Lager in Westösterreich) vorgeführt – wohlgemerkt: die Vorführung ist ein Akt behördlicher Zwangsgewalt; die Vorführung dient der Sicherung der Ausweisung – das ganze Asylverfahren wird durch das neue Gesetz zum Ausweisungsverfahren degradiert!

Sie werden durchsucht und erkennungsdienstlich behandelt, als ob sie Verbrecher wären; alle ihre persönlichen Gegenstände und Dokumente, von denen die Behörde sich Aufschlüsse verspricht, werden “sichergestellt”.

In der “Erstaufnahmestelle” wird der Flüchtling binnen 48 (längstens 72) Stunden verhört. Danach teilt man ihm mit, ob sein Verfahren zulässig ist oder ob sein Asylantrag als unzulässig zurückgewiesen werden soll.

Erst ab diesem Zeitpunkt hat er Zugang zu einem der vom Innenminister ernannten Rechtsberater, die in den Erstaufnahmestellen Dienst tun sollen. Diese Rechtsberater sollen an die Amtsverschwiegenheit gebunden sein – eine ungeheuerliche Einschränkung ihrer Befugnisse, in einem Land wie Österreich, wo rechtsstaatliche Asylverfahren immer nur mit Hilfe größtmöglicher Öffentlichkeit erzwungen worden sind.

Unabhängige Rechtsberater aus den Reihen der NGOs werden im neuen Gesetz überhaupt nicht erwähnt; ob sie trotzdem Zutritt zu den Asylwerbern in den Erstaufnahmestellen haben werden, ist völlig ungewiß und wird vom politischen Kräfteverhältnis abhängen. Die geplante Änderung des Bundesbetreuungsgesetzes lässt da nichts Gutes erwarten:

“Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Erstaufnahmestelle oder Bundesbetreuungsstelle (…) erforderlich ist, unbefugten Aufenthalt in der Betreuungsstelle sowie deren unbefugtes Betreten durch Verordnung zu verbieten und das Zuwiderhandeln zur Verwaltungsübertretung zu erklären. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben an der Vollziehung solcher Verordnungen mitzuwirken.”

Zu den Aufgaben der Sicherheitsorgane gehört die “Überwachung der Einhaltung der Verbote” und die “Einleitung und Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren”.

Das ist eine Lex-Anti-NGO, die nicht hingenommen werden kann. Wir NGOs erfüllen unser Mandat, die Tätigkeit der Behörden zu kontrollieren, die Öffentlichkeit über Mißstände zu informieren und unseren Klienten Rechtsschutz zu gewähren.

Daher muß uns der Zutritt zu den Aufnahmestellen jederzeit und ohne Einmischung staatlicher Organe offen stehen. Um dieses Recht werden wir kämpfen, weil nur so faire Verfahren zu gewährleisten sind.

Hand in Hand mit der geplanten Verhinderung des Zutritts geht die Gefangenhaltung der Flüchtlinge selbst: Wer sich im Zulassungsverfahren “ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat”, über den wird gemäß § 34 b AsylG die Schubhaft verhängt.

“Ungerechtfertigt”. Wer entscheidet das? Das Asylamt? Die Polizei? Ist es “ungerechtfertigt”, wenn er eine unabhängige NGO seines Vertrauens aufgesucht hat, um Beratung und Rechtsbeistand zu finden?

Wird es dann nicht besser sein, er kehrt nach einem solchen Besuch in einer Beratungsstelle erst gar nicht ins Lager zurück, sondern er taucht unter und wird von uns NGOs unter unseren Schutz gestellt? Das bedeutet: vermehrte Illegalität. Verschärfte Kraftproben zwischen der Regierung und der demokratischen Öffentlichkeit. Herr Strasser wird gut daran tun, diesen Passus (und manchen anderen) aus seinem Entwurf im Interesse des inneren Friedens schleunigst zurückzuziehen.


Aber was sind denn nun die Gründe, aus denen ein Asylantrag als unzulässig zurückgewiesen werden kann, und was soll dann mit dem Flüchtling geschehen?

Die drei Hindernisse für einen Zugang zum inhaltlichen Verfahren sind: Drittstaatsicherheit; Dublin-Vertrag (Zuständigkeit eines anderen EU-Landes); Abweisung als “offensichtlich unbegründet”. Diese Klauseln gab es schon bisher, aber sie werden durch das neue Gesetz erheblich verschärft.

§ 4 (“Unzulässige Asylanträge wegen Drittstaatsicherheit”) enthält eine Liste angeblich sicherer Drittstaaten, die von Gesetzes wegen festgeschrieben werden soll. In dieser Liste scheinen Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Slowenien auf – dies obwohl der Unabhängige Bundesasylsenat (UBAS) in nahezu einhelliger Rechtsprechung die Unsicherheit dieser Drittstaaten festgestellt hat.

Diese Drittstaaten sind unsicher, weil es dort Schutzlücken gibt, weil die Gefahr der Zurückschiebung im offenen Verfahren besteht; diese Tatsachen hat der UBAS ermittelt; das Innenministerium setzt sich darüber hinweg und will ins Gesetz schreiben lassen, daß vom UBAS festgestellte Sachverhalte nicht existieren!

Ein solches Gesetz wäre Willkür, wäre daher ein Ausfluß von Gesetzlosigkeit und stünde im Widerspruch zur Verfassung, die jedermann ein faires Verfahren vor seinem gesetzlichen Richter garantiert.

Asyl in Not fordert die ersatzlose Streichung der Drittstaat- und Dublinklauseln in Österreich und ganz Europa. Wir bekennen uns zur freien Wahl des Asyllandes durch den Flüchtling.

Auch das ist ein Menschenrecht. Flüchtlinge sind keine Kartoffelsäcke, die man von einem Staat zum nächsten verschieben darf. Und die Staaten Europas könnten sich viele kostspielige, sinnlose Prozeduren ersparen.


§ 17: Zurückweisung an der Grenze. Wer aus einem laut Gesetz “sicheren Drittstaat” kommt und (was keiner tut) an der österreichischen Grenze einen Asylantrag stellt, oder wer (was die Regel ist) innerhalb des Grenzkontrollbereichs von unseren tapferen Soldaten aufgegriffen wird, der muß ohne jedes Verfahren, ohne Bescheid, ohne Berufung, ins Drittland zurück.

Wer etwas weiter ins Landesinnere kommt und sich im Augenblick seiner Festnahme nicht mehr im Grenzkontrollbereich befindet, bekommt wenigstens einen Bescheid: Zurückweisung wegen Drittstaatsicherheit. Gegen den kann er eine Berufung schreiben. Aber nützen wird ihm das nichts:

Der Berufung kommt nämlich keine aufschiebende Wirkung zu! Die Zurückweisung des Asylantrages wegen wegen Drittstaatsicherheit (oder wegen Zuständigkeit eines anderen EU-Staates; Dublin-Klausel) ist mit einer Ausweisung zu verbinden. Diese Ausweisung wird mit ihrer – wenn auch nicht rechtskräftigen !! – Erlassung durchsetzbar; über den Flüchtling wird gemäß § 34 b die Schubhaft verhängt!

Auf deutsch: Gegen die Zurückweisung wegen Drittstaatsicherheit können wir zwar eine Berufung schreiben, der Asylwerber wird aber trotzdem in den Drittstaat zurückgeschoben. Dort soll er warten, wie sein Berufungsverfahren ausgeht.

Die “Erläuterungen”, die das Innenministerium seinem Gesetzesentwurf hinzufügt, lassen an Zynismus nichts zu wünschen übrig:

“Die Ausweisung ist sofort vollstreckbar; durch diese sofort vollstreckbare Ausweisung kommt es zu keinen Nachteilen für den Asylwerber, da er in einen Dublinstaat oder sicheren Drittstaatstaat (!) ausgewiesen wird. Zur Sicherung der Ausweisung wird vorgeschlagen, eine Festnahme und die Verhängung der Schubhaft zu ermöglichen.” (Erläuterungen, S. 7).

Daß im Berufungsverfahren ja erst festgestellt werden soll, ob der Drittstaat wirklich sicher ist oder ob der Flüchtling dort nicht Gefahr läuft, weitergeschoben zu werden – einerlei!

Wer kann dann überhaupt noch in Österreich einen Asylantrag stellen? Alle unsere Nachbarländer sind Dublin-Staaten (= EU-Mitglieder) oder stehen auf der Liste “sicherer Drittstaaten”.

Zwei Schlupflöcher lässt uns der Gesetzesentwurf, darüber müssen wir schon froh und dankbar sein:

Wenn der Drittstaat den Flüchtling nicht binnen eines Monats nach Erlassung des Bescheides zurücknimmt, dann tritt der Bescheid außer Kraft. Der Asylwerber wird aus der Schubhaft entlassen und erhält ein inhaltliches Asylverfahren.

Am besten ist es, wenn niemand weiß, durch welche Drittstaaten man gekommen ist. Erläuterungen, Seite 7:

“Wenn gar nicht bekannt ist, welche Reiseroute nach Österreich gewählt wurde, ist das Verfahren für zulässig zu erklären und dem Asylwerber ist ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zu gewähren.”

Bevorzugt ist also, wer einen guten, teuren Schlepper hat, der ihn nicht nur wohlbehalten aus dem Verfolgerland heraus, sondern auch sicher am österreichischen Bundesheer vorbei schleust, weit genug ins Landesinnere, daß niemand mehr den Reiseweg feststellen kann.

Wer nur einen billigen Schlepper hat, der ihn in Ungarn auf der grünen Wiese aussteigen lässt, mit dem Hinweis: “Dort ist Germany!” – der wird festgenommen; den schiebt man zurück.

Um auch dieses Schlupfloch zu schließen, wird Herr Strasser wohl die Grenzkontrollen verschärfen. Klar, daß die Preise der Schlepper dann steigen werden. Es steigt ja auch ihr Risiko. Eine Frage, Herr Strasser (ich hab sie auch schon Herrn Löschnak gestellt): Kriegen Sie eigentlich für Ihr neues Gesetz von den Schleppern Provision?


§ 6, “offensichtlich unbegründete Asylanträge”:

“Asylanträge sind in jedem Stadium des Verfahrens als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn (…) der Asylwerber die Asylbehörde über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente getäuscht hat.”

In jedem Stadium! Also auch, wenn der Asylwerber (wie wir es oft erlebt haben) im Berufungsverfahren, nachdem er Vertrauen zu uns Rechtsberatern gefasst hat und von uns über seine Rechte und Pflichten informiert worden ist, endlich zugibt, daß er anders heißt oder daß sein Ausweis gefälscht ist – auch und gerade dann wird sein Antrag als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Er kann noch so sehr verfolgt sein. Keine Chance!

Bisher haben wir beim UBAS viele solche Verfahren gewonnen: Wir konnten unsere Klienten überzeugen, daß es besser ist, die Wahrheit zu sagen. Sie erhielten Asyl. Weil sie Flüchtlinge sind im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention.

Nur darum geht es nämlich in einem ordentlichen Asylverfahren: Um die Flüchtlingseigenschaft, wie sie in der Konvention definiert ist. Und nicht darum, Menschen durch Asylverweigerung dafür zu bestrafen, daß sie gelogen haben.

Der Gesetzentwurf ist gerade in diesem Punkt Ausfluß typisch österreichischer Beamtenmentalität: Wer so frech ist, einen Beamten anzulügen, der bekommt kein Asyl. Die materielle Wahrheit, die doch eigentlich ermittelt werden sollte in einem ordnungsgemäßen Verfahren, bleibt dabei auf der Strecke.

Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag nach diesem Entwurf auch dann, wenn der Asylwerber “keine Asylgründe” geltend gemacht hat.

Ja, wer bestimmt denn das, ob der Asylwerber jetzt Asylgründe vorgebracht hat oder keine?
Das Asylamt? Aber das kann man doch bei jeder Abweisung sagen: es liegen keine Asylgründe vor. Dieser Gummiparagraph öffnet der Willkür Tür und Tor.

Auch die Abweisung nach § 6 ist mit einer Ausweisung zu verbinden. Diese Ausweisung wird mit ihrer – wenn auch nicht rechtskräftigen Erlassung – durchsetzbar (§ 6 Absatz 3). Der Asylwerber verschwindet in der Schubhaft (§ 34 b Absatz 1 Ziffer 2).

Das ist ungeheuerlich. Wir NGOs haben in den vergangenen Jahren viele Berufungsverfahren gegen § 6-Bescheide geführt und gewonnen. Die Klienten konnten da bleiben und erhielten Zugang zum ordentlichen Verfahren, wie es sich gehört. Eine Reihe von ihnen erhielt auch Asyl. Nach dem neuen Entwurf würden sie sofort abgeschoben – ins Verfolgerland!

Umso schlimmer wirkt sich nun aus, daß in Wien auf Befehl des Innenministers der unabhängige Schubhaftsozialdienst keinen Zutritt zur Schubhaft mehr hat; an seiner Stelle wurde ein vom Innenministerium protegierter “Verein Menschenrechte” eingesetzt, dessen Geschäftsführer jede Zusammenarbeit mit rechtsberatenden NGOs ablehnt und statt dessen die Durchführung “professioneller Abschiebungen” propagiert.

Auch hier gibt es ein kleines Schlupfloch. Der UBAS kann der Berufung binnen sieben Tagen die aufschiebende Wirkung zuerkennen. Und was, wenn der Flüchtling bis dahin schon abgeschoben ist?

So wie Marcus Omofuma abgeschoben und umgebracht wurde, bevor der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuerkannte? Bei Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof gibt es die gleiche Schutzlücke, wir NGOs haben seit jeher ihre Schließung verlangt, aber statt sie zu schließen, wird eine neue Lücke im UBAS-Verfahren aufgemacht!

Asyl in Not fordert daher die ersatzlose Streichung des § 6. Alle Asylwerber sollen ohne Ansehen der Person Zugang zum ordentlichen Asylverfahren haben. Dieses ordentliche Verfahren muß so ausgestaltet werden, daß in kurzer Zeit und auf faire Weise über den Sachverhalt entschieden werden kann.


Überhaupt wird durch den Entwurf des Innenministeriums das Berufungsrecht massiv eingeschränkt.

§ 32 (1) lautet. “In Berufungen gegen Entscheidungen des Bundesasylamtes dürfen nur neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden, 1. wenn sich der Sachverhalt (…) entscheidungsrelevant geändert hat; 1. wenn das Verfahren erster Instanz aufgrund der Aktenlage mangelhaft war, 3. wenn diese dem Asylwerber bis zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz nicht zugänglich waren (nova producta) oder 4. wenn der Asylwerber aufgrund einer medizinisch belegbaren Traumatisierung nicht in der Lage war, diese vorzubringen.”

Der letzte Punkt ist O.K., zumindest in der Intention; er entspricht dem, was wir jahrelang gefordert und schließlich durchgesetzt haben. Folteropfer, Vergewaltigte und andere Traumatisierte sind nicht imstande sofort alles zu sagen, was ihnen widerfahren ist.

Problematisch ist der Ausdruck “medizinisch belegbar”. Schon bisher mussten wir uns mit Gutachten angeblicher “Sachverständiger” herumschlagen, deren fachliche Inkompetenz zum Himmel stinkt. Wir werden auch in Zukunft Gegengutachten wirklich unabhängiger Experten vorlegen; langandauernde Verfahren sind daher vorprogrammiert.

Ein Vorschlag zur Güte: Sinnvoll wäre es, statt “medizinischen Belegen” nur “Indizien” für Traumatisierung zu verlangen. Es wird ja auch sonst im Asylverfahren vom Antragsteller nicht der volle Beweis, sondern nur die Glaubhaftmachung verlangt.

Aber abgesehen davon: Auch Nicht-Traumatisierte können gute Gründe haben, den Asylbehörden nicht gleich alles zu erzählen.

Warum soll ein Flüchtling, der gerade mit Mühe und Not der Polizei seines eigenen Landes entronnen ist, ausgerechnet zu Behörden dieses Österreich, wo er nun gestrandet ist, von dessen Existenz er aber womöglich bis vor kurzem gar nichts wusste, Vertrauen haben?

Zu Behörden, die ihn gleich beim ersten Kontakt festnehmen und erkennungsdienstlich behandeln, als wäre er ein Verbrecher? Warum soll er denen sagen, daß sein Ausweis gefälscht ist, ein Papier, an dem er hängt, weil es teuer erkauft war, sein einziges vielleicht; warum soll er denen alles sagen, was er illegal getan hat gegen das Regime in seinem Land?

Asyl ist ein Recht, keine Gnade. Flüchtlinge sind keine Bittsteller; ihr Vertrauen muß verdient werden. Daher werden sich die Behörden Österreichs daran gewöhnen müssen, daß Beweismittel dann nachgereicht, Tatsachen dann bekannt gegeben werden, wenn der Flüchtling erkennt, daß er damit anderen und sich selbst nicht schadet.

Zum Neuerungsgrund “mangelhaftes Verfahren”: Dieser Begriff ist dehnbar genug, um jede Interpretation zu erlauben. Jedes Verfahren vor dem Bundesasylamt, das zu einem negativen Bescheid führt, ist schon aufgrund der Aktenlage mangelhaft – allein wegen der Tatsache, daß es vom Bundesasylamt geführt wurde, einer Behörde, die noch zu Löschnaks Zeiten zum Zweck der Asylverhinderung geschaffen und all die Jahre im gleichen Ungeist weitergeführt worden ist.

Den “Erläuterungen” zufolge sollen “die Kompetenzen des Bundesasylamtes als Tatsacheninstanz erweitert werden”. Das geht mit einer Verringerung der Kompetenzen des UBAS Hand in Hand: Siehe Neuerungsverbot; siehe auch die Eingliederung des UBAS in den Kompetenzbereich des Innenministeriums.

Der UBAS ist die wichtigste Errungenschaft jener Reform, die Caspar Einem nach Löschnaks Sturz mit Hilfe der NGOs begonnen hatte. Wir lehnen jede Einschränkung seiner Befugnisse ab, noch dazu, wenn sie mit einer Aufwertung des Bundesasylamtes einhergehen soll.

Zu den positiven Intentionen des vorliegenden Entwurfs gehört, das sei zum Schluß lobend erwähnt, die beschleunigte Asylgewährung für Flüchtlinge, deren Asylanträge offensichtlich wohl begründet sind.

Die Botschaft hör” ich wohl… Aber genau das geht mit dem jetzigen Bundesasylamt nicht. Dort gibt es zwar durchaus auch Beamte, die positiv denken – und die auch gerne positiv handeln möchten; aber ist das System, der in dieser Behörde vorherrschende Ungeist, der sie bremst.

Eben während ich dies schreibe, telefoniere ich mit dem Bundesasylamt Traiskirchen wegen eines schwerst gefolterten und traumatisierten Klienten aus der Türkei. Der zuständige Beamte sagt mir: von ihm aus wäre der positive Bescheid schon unterwegs. Aber positive Bescheide müssen zur Genehmigung vorgelegt werden. Und Herr Taucher, der oberste Chef des Bundesasylamts, behält sich vor, noch irgendwas zu klären; was das sein mag, weiß der zuständige Beamte nicht.

Dieses Bundesasylamt ist nicht reformierbar. Es sollte zur Gänze durch eine neue, vom Innenministerium unabhängige, weisungsfreie Asylbehörde erster Instanz ersetzt werden. Eine Behörde, die mindestens so professionell arbeitet wie der Unabhängige Bundesasylsenat.

Wir erinnern daran, daß es in Wien viel besser geworden ist im Bereich der Aufenthaltsbewilligungen nach dem Fremdenrecht, seit die MA 62 zerschlagen wurde, an deren Spitze der berüchtigte Fremdenhasser Sokop stand.

Von der nunmehr zuständigen MA 20 sind keine rassistischen Übergriffe bekannt, sie erledigt ihre Aufgaben, wie es sich gehört. Zu Sokops Entmachtung haben demokratische Medien und NGOs mit vereinten Kräften beigetragen. Ähnliches gelingt uns beim Bundesasylamt vielleicht auch.

Asyl in Not lehnt also den vorgelegten Entwurf grundsätzlich ab. Einzelne positive Neuerungen wie die Verbesserung der Familienverfahren, beschleunigte Asylgewährungen u.a. werden in eine künftige grundsätzliche Neureeglung aufzunehmen sein.

Wir NGOs werden weiterhin kompromisslos und unbestechlich über die Einhaltung der Menschenrechte wachen. Wir werden die Isolierung der Schutzsuchenden in den Erstaufnahmezentren, die geplanten Zurück- und Abschiebungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit nicht tolerieren. Wir werden nicht hinnehmen, daß der Rechtsstaat ausgehöhlt wird. Wir werden den neuen Eisernen Vorhang an unseren Grenzen nicht akzeptieren.

Schwere Auseinandersetzungen kommen auf uns zu. Wir nehmen die Herausforderung an. Österreich muß wieder Asylland werden. Die Menschenrechte müssen wieder gelten in diesem Land.

Michael Genner,
Asyl in Not

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